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Die Weinwelt im Wandel

Die Weinwelt im Wandel

Weinbau steht und fällt mit den richtigen klimatischen Verhältnissen. Der Klimawandel hat deshalb grosse Auswirkungen darauf, welcher Wein in Zukunft wo angebaut werden kann. Eine semi-optimistische Weltreise durch den neuen Weingürtel.

Willst du kurz die Zeit anhalten, so schenke dir ein Glas Wein ein. So langsam, wie die jungen Weinreben im Feld wachsen, wie die Beeren im Fass fermentieren und die Flasche im Keller nachreift – so bedächtig langsam sollte ein gutes Glas Wein auch getrunken werden.

Und jetzt kommt der Klimawandel. Nicht aus dem Nichts, aber auf einmal doch schneller als erwartet. Mit Konsequenzen, die exponentiell grösser werden und kurze Reaktionszeiten erfordern. Und die Weinwelt, ansonsten eher in gemächlichen Tempo unterwegs, macht widerwillig einen unaufhaltsamen Wandel durch.

Feuer, Rauch und Wasser-Trucks

Napa Valley, nördlich von San Francisco, 38. Breitengrad, August 2021. Unter der sengenden kalifornischen Sonne glänzt ein dünner weisser Film auf den Cabernet-Rebstöcken. Pflanzen, Weintrauben, alles ist mit kleinen Punkten der milchig weissen Substanz übersät. Diesmal handelt es sich aber nicht um Schädlingsbefall. Es ist Sonnenschutz.

Das Napa-Tal ist die wohl beliebteste US-amerikanische Destination für guten Wein. Hier wird in schicken Restaurants Cabernet getrunken und überteuertes Steak gegessen. Was viele Besucher:innen nicht ahnen: Dem Cabernet ist es hier bald zu heiss. 2020 waren die kalifornischen Waldbrände verheerend. Selbst Winzer:innen, die vom Feuer verschont geblieben sind, müssen nun mit vervielfachten Versicherungsprämien und «Smoke Taint» klarkommen – einer Geschmacksveränderung im Wein, verursacht durch den Rauch umliegender Brände.

California wildfires – Ross Stone on Unsplash

Während die diesjährige «Fire Season» noch wütet, wird bereits wieder das Wasser knapp. Die Reservoirs sind leer, die Tage trocken und heiss, und mehrmals am Tag muss ein Truck 130 Hektoliter gefiltertes Abwasser in die Rebberge hinauf transportieren, damit die Reben den Sommer durchstehen. Die Medien nennen es «toilet water», aber niemand weiss, wie lange die Weingüter das Wasser noch billig abkaufen können, bevor die Stadt es selbst brauchen wird.

Nordische Kälte und flüssige Beweise

Anderes Jahrzehnt, andere Geschichte. Anne Engrav ist 2008 Praktikantin im Weingut des deutschen Starwinzers Klaus Peter Keller, als sie davon zu träumen beginnt, den Weinbau in ihre Heimat zu bringen. Mit drei Mitarbeitenden von Keller und 130 Jungreben im Gepäck fliegt sie nach Hause und legt im Garten ihrer Eltern einen kleinen Weinberg an. Ihre Heimat? Kristiansand in Norwegen, 58. Breitengrad. Hier schneit es manchmal bis im Mai. Ihre Vision: In 20 oder 30 Jahren können ihre Kinder vielleicht mal norwegischen Riesling und Frühburgunder keltern.

Kristiansand – Assitej Norway on Unsplash

Es kommt ganz anders. Schon zehn Jahre später, im Herbst 2018, keltern Engrav und Klaus Peter Keller den ersten Riesling aus dem norwegischen Garten. Und finden ihn «erschreckend gut». Keller will ihn unter dem Namen «the liquid proof of climate change» vermarkten, so bestürzt ist er über den verfrühten Erfolg. Für die Weinwelt hat norwegischer Riesling einen etwas bitteren Beigeschmack.

Rutschende Gürtel und irischer Cabernet

Die Breitengrade auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre, wo die Weinrebe am besten gedeiht, nennt man Weingürtel. Noch vor nicht allzu langer Zeit waren diese Gürtel – mit wenigen Ausnahmen – ziemlich klar definiert. Jetzt verschieben sich die Klimazonen und lassen die Gürtel immer weiter weg vom Äquator rutschen.

Wo es früher zu kühl für den Weinbau war, ist er plötzlich im grossen Stil möglich. Im Norden Japans wird der Pinot Noir immer besser, in Irland wird mit Cabernet experimentiert. Und Englischer Champagner wird inzwischen nicht mehr belächelt, sondern als Konkurrenz ernst genommen.

Gleichzeitig werden grosse Weinregionen plötzlich zu heiss für die Rebsorten, die sie einst bekannt machten. Reben vertragen zwar Wärme und Trockenheit generell besser als Kälte. Aber: Wärme und Trockenheit kann selbst der Treibhauseffekt nicht garantieren. Das Klima wird nicht einfach wärmer, sondern extremer. Winzer:innen müssten sich gleichzeitig gegen Dürre, Brände, Sturmschäden und Überschwemmungen schützen. Dabei fällt es vielen schwer, auch nur einer der Kategorien standzuhalten.

Die beiden Weingürtel

 

Süsse Beeren und Nachtaktionen

Brände sind zwar ein Extremfall, wärmere Temperaturen verändern aber schon heute vielerorts den Weinbau. Unter der starken Sonneneinstrahlung reifen die Weinbeeren schneller, so dass immer mehr Weingüter die Ernte vorverschieben und nachts im Dunkeln durchführen müssen, wenn es etwas kühler ist.

Ausserdem steigt der Zuckeranteil in den Beeren – die Weine werden süsser und ihr Alkoholgehalt höher. Wer kann, setzt jetzt auf Hitze-liebende Rebsorten. Wer kann, kauft sich Land, das weiter weg vom Äquator liegt.

Die Weinwelt wird durch den Klimawandel nicht so schnell besiegt. Sie wird aber – schon seit einigen Jahren und immer schneller – verändert. Ein Grund mehr, jedes Glas Wein ganz langsam und bedächtig zu geniessen, das einem das Leben so in die Hand drückt. 

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