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Im Abgang ein Hauch von Greenwashing

Im Abgang ein Hauch von Greenwashing

Kommt nach dem Naturwein und dem veganen Wein jetzt der «Clean Wine»? Was es mit den Trends auf sich hat und wo wirklich Natur in der Flasche steckt.

Etwas weiss die Lebensmittelindustrie ganz genau: Es gibt Worte, die klingen auf Anhieb überzeugend. Klar, schmeckt die heimische Heidelbeere ganz okay, aber was, wenn du stattdessen Superfoods wie Goji oder Açai-Beeren
im Müesli haben könntest? Dazu noch Microalgen in den Smoothie und ein paar Microgreens auf den Salat und schon ist dein Teller im 21. Jahrhundert angekommen.

Kein Wunder, hat so ein eingängiger Anglizismus längst auch die Weinwelt infiltriert. Passend zur «Clean Eating» Bewegung gibt es jetzt «Clean Wine». Was am normalen Wein so unsauber gewesen sein soll, kann dabei niemand so richtig sagen. Und das lassen sich die Winzer:innen nicht einfach so gefallen.

In Hollywood reift die Skepsis

Es ist der Sommer 2020 und Cameron Diaz – die seit dem Ende ihrer Filmkarriere ihr Geld vor allem als Wellness-Guru verdient – lanciert «Avaline: Just clean, delicious wine.» Ihre Co-Gründerin ist Modeunternehmerin Katherine Powers, den Namen haben sie auf einer Website für Babyvornamen gefunden und der Spruch
ist bereits markenrechtlich geschützt.

Was ihren Wein sauber macht? Er wird ohne Pestizide angebaut, mit veganen Klärungsmitteln gefiltert und ohne Zusatzstoffe verarbeitet. Also fast ohne. Denn natürlich brauchen sie noch Klärungsmittel, Sulfi te und Hefen. Und da haben wir schon den Salat.

Was heisst hier schon sauber?

Während sich die Lifestyle-Magazine auf den hübsch verpackten Wein mit Star-Faktor stürzen, sind Winzer:innen und Kenner:innen bestürzt. Viele durchschauen die Marketing-Tricks und protestieren: Unsere Weine sind mindestens so sauber und transparent – wir kommunizieren es nur nicht so aggressiv. Tatsächlich müssen Naturweine viel strengeren Standards genügen, als denen, die sich Avaline und Co. auf die Fahne schreiben. Und selbst viele Weingüter ohne Bio-Zertifizierung erfüllen die Bedingungen an einen Bio-Anbau schon seit Jahren (und verzichten einfach auf das teure Label).

Wichtig ist der Inhalt

Nur, weil die Angabe von Zutaten auf Weinflaschen nicht im Gesetz verankert ist, sind «normale» Weine nicht gleich ungesund. Und nur, weil in den USA auch seltsame Zusatzstoffe wie Mega Purple (ein Traubensaftkonzentrat, der Farbe und Süsse verstärken soll) verbreitet sind, sollten nicht gleich alle Zusätze
aus Prinzip verteufelt werden. Umso wichtiger ist es, die Fachbegriffe zu verstehen. Deshalb haben wir euch hier ein kleines Lexikon der aktuellen Weintrends zusammengestellt. Sorry: Wir meinen natürlich ein Super-Lexikon.

VEGANER WEIN

Dass Wein nicht unbedingt vegan oder vegetarisch ist, dürfte so manchen erstaunen. Grund dafür sind die Klärungsmittel. Um die kleinen Hefeteilchen, die nach der Gärung im Wein bleiben, besser herauszufiltern, verwenden viele Winzer:innen nämlich tierische Proteine wie Gelatine, Isinglass (ein Fischblasen-Protein), Hühnereiweiss oder Milchprotein. Diese binden die schwebenden Teilchen im Wein, damit sie sich später leichter entfernen lassen. Bei veganem Wein wird dieser Prozess mit pflanzlichen Produkten ersetzt – oder der Wein wird so lange auf der Hefe liegen gelassen, bis sich die Trübstoffe von allein absetzen und man ihn ohne Filtration abfüllen kann.

 

BIOWEIN

Im konventionell bewirtschafteten Weinberg reagiert man meistens auf Symptome. Die Rebstöcke weisen Schädlingsbefall auf? Zeit, die Parasiten mit chemischen Insektenvertilgungsmittel zu vernichten. Im Bioweinbau handeln Winzer:innen hingegen ökologisch nachhaltig. Sie pflanzen zwischen den Rebstöcken spezielle Pflanzenarten, die Nützlinge anziehen, damit diese dann den Schädlingen den Garaus machen. Die Diversifizierung des Anbaus erhöht dabei ausserdem die Fruchtbarkeit des Bodens. Während der Weinaufbereitung und beim Gärungs- und Reifeprozess sind bei Bioweinen nur wenige manuelle Interventionen erlaubt, zum Beispiel das «Nachzuckern». Bio-Winzer:innen verwenden keine künstliche Schönungsmittel, aber recyceln viel: Pressrückstände, Hefereste, Blätter und Winterschnitt werden beispielsweise zu Dünger.

Unsere Bioweine im Shop

Les Rouges: TerrebruneMarie-Bérénice, Bunan Moulin des Costes,  Château La Rouvière & Cuvée Charriage
Les Blancs: Château Les ValentinesMarie-Bérénice & Bunan Château la Rouvière Les Rosés: Bunan BélouvéTerrebrune & Château Les Valentines Bulles Rosé Schaumwein

 

BIODYNAMISCHER WEIN

Die Biodynamik entwickelte sich zuerst in der Landwirtschaft und erst später im Weinbau. Sie beruht auf den anthroposophischen Lehren von Rudolf Steiner und geht viel weiter als die Regeln des Bio-Anbaus. Der Rebberg wird im biodynamischen Weinbau als gesamtes Ökosystem betrachtet, dessen Lebensprozesse im Gleichgewicht sein müssen. Das betrifft nicht nur irdische, sondern auch kosmische Kräfte. Wichtig sind dabei Arbeiten im Rebberg: Der Rebschnitt, das Düngen, das Jäten und die Ernte richten sich zum Beispiel nach einem Aussaatkalender. Der Boden soll einmal im Jahr gepflügt werden, aber statt mit Traktor wenn möglich mit Pferdegespann.

Der vielleicht ungewöhnlichste Aspekt ist der Einsatz von Kuhhörnern: Winzer:innen füllen die Hörner mit Kiesel oder Kuhmist und vergraben sie monatelang im Boden. Dort unten sollen sie sich mit Licht, Wärme und Lebenskräfte anreichern. Die Füllungen werden nach dem Ausgraben mit Wasser verrührt und im Weinberg versprüht.

Unsere biodynamischen Weine im Shop:

Tempier Classique Rouge, Tempier Rouge «Pour Lulu» & Tempier Rosé

 

NATURWEIN

Naturwein ist eigentlich mehr Konzept als Kategorie, weil sich die Weinwelt über seine Kriterien noch streitet. In seiner pursten Form besteht er aus 100% fermentierten Trauben und sonst nichts. Das heisst: Beim Anbau gibt es keine Pestizide, die Ernte geschieht von Hand statt maschinell und in der Zubereitung werden weder Zusatzstoffe noch Klärstoffe hinzugefügt.

Diskutiert wird zum Beispiel, ob die Zugabe von Sulfiten (Schwefeldioxid) vor dem Verkorken erlaubt ist, oder der Wein «zero/ zero» sein muss, also komplett unbehandelt. Sulfite sind praktisch: Sie wirken antioxydativ und antimikrobiell und verhindern so, dass Weine nachgären und schnell zu Essig werden. Aber für viele zeichnet sich Naturwein eben dadurch aus, dass fast nichts im Prozess manipuliert wird. Deshalb nennt man Naturwein im englischsprachigen Raum auch «low intervention wine» oder «raw wine».

Eine Zertifizierung für Naturwein gibt es noch nicht, aber in Frankreich wurde 2020 immerhin eine Charakterisierung unter dem Namen «vin méthode nature» eingeführt (testweise für drei Jahre). Die Trauben müssen dabei von zertifizierten biologischen Rebstöcken stammen, handverlesen sein und mit einheimischen Hefen verarbeitet werden Weitere Labels dürften bald folgen.

 

ORANGE WEIN 

Eine besonders trendige Version des Naturweins ist der Orange Wine. Auf Englisch nennt man ihn auch mal «skin-contact» oder «skinfermented white wine» und in dem Namen ist auch schon der ganze Prozess erklärt.

Während bei der Rotweinproduktion die Fermentierung mit der Traubenschale wichtig ist, trennt man beim Weisswein normalerweise Schalen und Saft, nachdem die Trauben gequetscht werden. So soll verhindert werden, dass Farbpigmente, Phenole und Tannine in den Wein gelangen. Beim Orange Wine lässt man sie hingegen mitgären und sie bleiben tagelang oder monatelang in Kontakt mit dem Saft. Das färbt den Weisswein nicht nur orangefarben, sondern erzeugt auch neue, teils ungewohnte Geschmacksnoten im Wein.

Der Name Orange Wine wurde erst 2004 geprägt, die Zubereitungsart ist aber viel, viel älter. Schon 6000 v. Chr. vergruben Georgier für die Weinzubereitung zitronenförmige Tongefässe (Qvevri oder Kvevri) in der Erde, um die Temperatur bei der Gärung zu stabilisieren. Dabei wurden Phenole, Tannine und Antioxidantien extrahiert und Farbtöne von Honiggold bis zu tiefem Bernstein erzeugt. Aber erst, als der Italienische Winzer Josko Gravner in den 90er-Jahren die georgischen Qvevri entdeckte und in Friaul-Julisch Venetien seinen eigenen Orange Wine produzierte, wurden diese Weine einem breiteren Publikum bekannt. Heute findet man weltweit Produzenten von Orange Wine – neben Georgien aber vor allem im Grenzgebiet zwischen Italien und Slowenien.

 

CLEAN WINE 

Hollywood-Star Cameron Diaz hat den Begriff «Clean Wine» zwar nicht erfunden, aber durch ihre eigene Bekanntheit erst zum Gesprächsstoff gemacht. Sie hat sich ihre Kriterien selbst gesetzt: Ihre Weinmarke Avaline steht für vegane Weine aus Bio-Produktion, die (und das ist ihr besonders wichtig) ihre gesamte Zutatenliste transparent auf dem Etikett stehen haben. Im Grunde also nicht mehr als ein veganer Bio- Wein. Und folglich auch nicht ganz so «clean» wie ein ungefilterter Naturwein, der durch seine Trübheit wohl nicht ins Marketingkonzept passen würde.

Ein weiteres Problem mit dem Wort «clean»? Es steht im Zusammenhang mit dem umstrittenen Konzept von «Clean Eating», dabei sprechen wir hier immer noch von alkoholischen Genussmitteln.

 

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